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Ott Christoph Hilgenberg Quelle: Wikipedia
Samuel Warren Carey
Klaus Vogel
Dr. James Maxlow
Quelle: www.jamesmaxlow.com
Grundlegend für die Theorie der Erdexpansion ist die Feststellung, dass die durch den basaltischen Vulkanismus entlang der mittelozeanischen Rücken neu gebildete ozeanische Kruste nicht oder nur zu einem geringen Teil durch Abtauchen älterer Krustensegmente kompensiert wird. Die Konsequenz davon ist eine stete Vergrößerung der Oberfläche und folglich des Volumens der Erde.
Der Startpunkt der Theorie war die bemerkenswerte Übereinstimmung der Küstenlinien Afrikas und Süd-Amerikas dies- und jenseits des Atlantischen Ozeans, die schon von Francis Bacon Anfang des 17. Jahrhunderts bemerkt, aber erstmals durch Alfred Wegener (1912) dokumentiert wurde.
Ott Christoph Hilgenberg war anscheinend der Erste, der die Kontinente ohne die heute dazwischen liegenden Ozeane auf einem Globus aneinanderfügte, der einen Durchmesser von etwas weniger als 2/3 eines aktuellen Referenzglobus hatte. Sein Buch „Vom Wachsenden Erdball“ (1933), das er Wegener widmete, fand wenig Anklang in den Reihen der Erdwissenschaftler, die zur damaligen Zeit fast allesamt die Theorie der Erdkontraktion vertraten.

Die Theorie der Erdexpansion wurde in den folgenden Jahrzehnten durch Laszlo Egyed (1956), die ‚Globenmacher‘ Ludwig Brösske, Cyril Henry Barnett, Kenneth Medworth Creer und Klaus Vogel (Vogel, 1983), vor allen Dingen aber von Samuel Warren Carey (1976) weiterentwickelt. Sein Buch „The Expanding Earth“ (1976) wurde zum Standardwerk aller Anhänger der Erdexpansion, sollte aber von den Verfechtern der Plattentektonik, die gegen Ende der 60er Jahre des 20. Jahrhunderts die Theorie der Erdkontraktion ablöste, weitestgehend ignoriert werden. Für den Verfasser dieser Zeilen war das Buch jedoch wie eine Offenbarung, welche ihm fortan als roter Faden in seiner wissenschaftlichen Laufbahn dienen sollte.

Das Werk Careys, des Patriarchen der Erdexpansion – jemand nannte ihn kürzlich den „Wegener der Theorie der Expansion der Erde“ (Subhasis Sen, 2007) - wurde von einer nicht unbeträchtlichen Zahl von Wissenschaftlern fortgeführt, darunter Karl Luckert (1999), Giancarlo Scalera (1988; 2006), James Maxlow (1998, 2005), Michihei Hoshino (1998). Einige Autoren erkennen die Theorie zwar an, sind aber gleichfalls der Ansicht, dass Subduktion, d.h. ‚Verschluckung‘ alter ozeanischer Kruste entlang von Tiefseegräben – eine der Grundfesten der Theorie der Plattentektonik – gleichfalls stattfindet (z.B. Hugh G.Owen, 1983). Wieder andere sind der Meinung, dass die Erde Phasen der Expansion und, abwechselnd, Phasen der Kontraktion durchläuft, reden dementsprechend von einem ‚pulsierenden‘ Erdball (Evgeny Milanovsky , 1978 u.a.). Was den Prozess der Expansion an sich betrifft, wurden zwei gegenteilige Meinungen geäußert. Einerseits wurde angenommen, dass die Erde nur ihr Volumen vergrößert, sich also – ähnlich einem Ballon, den man aufbläst – nur aufbauscht, andererseits aber wird davon ausgegangen, dass auch eine Massezunahme stattfindet, wobei die Erklärungsversuche dieses Prozesses sehr vielfältig sind, aber bislang vom physikalischen Standpunkt aus alle beanstandet wurden. Ein Verfechter der Volumenvergrößerung durch Dekomprimierung ohne Massezunahme ist der amerikanische Physiker J. Marvin Herndon. Die meisten Expansionisten – vor allem Geologen und Geophysiker – sind sich jedoch darin einig, dass auch ein Massezuwachs stattfindet, mit dem ein entsprechender Anstieg der Gravitationskraft einhergeht. Im Einklang damit wurde versucht, verschiedene Entwicklungen innerhalb der Lebenswelt zu erklären (Stephen Hurrell, 2011; Ramin Amir Mardfar, 2000, Carl Strutinski, 2012).

Die Expansionstheorie ist grundsätzlich eine fixistische Theorie, d.h. sie geht davon aus, dass die Lithosphäre (Erdkruste + oberster Mantel) fest mit dem darunter liegenden Mantel verschweißt ist. Daraus ergibt sich, dass unter den mittelozeanischen Rücken nicht nur ozeanische Lithosphäre neu entsteht, sondern auch der ihr entsprechende keilförmige tiefere Mantelabschnitt, und dass die Bewegungen im Wesentlichen nicht seitwärts erfolgen, wie das die Plattentektonik vorsieht, sondern radial aufwärts, also senkrecht, gerichtet sind.
Die aufwärts gerichtete Bewegung ist aber, laut Carey (1988), erdumspannend und nicht nur auf die Regionen unter den mittelozeanischen Rücken beschränkt. In seiner Auffassung sind Orogene, also die Faltengebirge der Erde, auch Äußerungen der Erdexpansion. Er schreibt, dass auch unter den Orogenen „die Bewegung in allen Phasen aufwärts gerichtet ist ... Orogene Zonen weiten sich, genau wie die mittelozeanischen Spreizungszonen, grundsätzlich aus; dort, wo das Ausmaß der Ausweitung im Untergrund der Orogene beträchtlich ist, kann in der Tat an der Oberfläche eine Spreizungszone entstehen.“
Die Kontinental- und Inselbögen, die den Pazifischen Ozean umranden, werden von Carey auch als Expansionszonen aufgefasst. Ihm zufolge unterscheiden diese sich von intra-kontinentalen und intra-ozeanischen Spreizungszonen ( also Orogenen bzw. mittelozeanischen Rücken im Sinne Careys) durch ihre typische Asymmetrie, die der speziellen Lage an der Grenze zweier völlig unterschiedlicher Lithosphärentypen (kontinental/ozeanisch) zu verdanken ist. Somit statuiert Carey, dass alle Strukturen, welche die Plattentektonik durch Pressung oder Stauchung erklärt, durch das energische Empordringen so genannter Manteldiapire - das sind pilzförmige Ausbuchtungen des tieferen Mantels - verbunden mit gravitativem Gleiten an der Oberfläche entstehen.

Wohl die wenigsten Expansionisten teilen heute noch Careys Ansicht. So meint Maxlow (1998), dass das Konzept einer radialen Expansion eher ungeeignet ist, die Entstehung von Faltengebirgen zu erklären. Übrigens sind sich die meisten Gegner der Expansionstheorie darüber einig, dass radiale Expansion Tangentialbewegungen (d.h. horizontal gerichtete Bewegungen), wie sie typisch in Faltengebirgen auftreten, eher verhindern als favorisieren würde. Maxlow hebt deshalb die Asymmetrie des Expansionsprozesses hervor, die das Zusammenwirken sowohl tangentialer als auch radialer Kräfte voraussetzt. Für ihn ist diese Asymmetrie in Verbindung mit der erzwungenen Anpassung der Erdkruste an eine sich verringernde Erdkrümmung der Hauptgrund für die Bildung der Faltengebirge. Basierend auf seinen Labor-Experimenten, stellt wiederum Karl-Heinz Jacob (2010, 2011) eine interessante Hypothese auf, und zwar, dass Faltungen, wie sie in den Orogenen erscheinen, durch Selbstorganisationsprozesse unter dem Einfluss elektrischer Felder entstanden sein könnten. Pressung wäre demnach gar nicht erforderlich, ein Umstand, der gegen Plattentektonik und für Erdexpansion spricht. Auch wenn diese Hypothese nicht auf alle gefalteten Strukturen angewandt werden kann, ist es durchaus wahrscheinlich, dass sie in vielen Fällen Gültigkeit hat. Nochmals anders sehen Strutinski & Puste (2001) die Bildung der Faltengebirge, indem sie sie weder als durch Zusammenschub entstanden, noch durch Expansion bedingt betrachten. Nach Meinung dieser Autoren entstehen Faltengebirge über „kriechenden Mantelströmen“, sozusagen als krustale Abbildung derselben. Für diese Hypothese spricht der Umstand, dass es Orogene schon viel früher gab als die vor ungefähr 180 Millionen Jahren einsetzende Ozeanbodenspreizung, die das auffälligste Merkmal der Erdexpansion ist.

Abschließend soll noch erwähnt werden, dass Maxlow und einige andere Verfechter der Theorie aufgrund empirischer Daten von einem Zuwachs des Erdradius um jährlich 20-22 Millimeter ausgehen. Scalera (2006) ist da schon etwas reservierter. Er spricht bloß noch von einem Jahreszuwachs von einigen Millimetern. Doch aktuellste Messungen können im besten Falle einen Zuwachs von kaum 0,2 mm/Jahr bestätigen (Wen-Bin Shen et al., 2011) ein Ergebnis, welches insbesondere die Verfechter der Plattentektonik als Beweis für die Richtigkeit ihrer Theorie der „konstanten Erde“ verbuchen. Die Glaubwürdigkeit der Berechnungen wird jedoch von Maxlow angefochten, der beanstandet, dass von den primären Messdaten, die für die Ermittlung des Zuwachses des Erdradius zur Verfügung standen, rund 60% zum Teil ungerechtfertigt eliminiert wurden. Außerdem muss dem Umstand Rechnung getragen werden, dass sich die Messdaten bloß auf die letzten 30 Jahre beziehen, von geologischem Standpunkt aus betrachtet bloß ein Augenblick, in dem überdies eine recht geringe Expansion entlang der mittelozeanischen Rücken zu verzeichnen war.

Da es auch sonstige Unklarheiten und Defizite hinsichtlich der Messtechnik gibt wie auch eine ungenügende Anzahl von Messstationen, die darüber hinaus ungleichmäßig über die Erdoberfläche verteilt sind, ist derzeit eine genaue Ermittlung des Erdradius kaum möglich, weshalb wohl nur eine in Zukunft verfeinerte Messtechnik, eine bessere Verteilung der Messstationen und eine sich über einen größeren Zeitraum erstreckende Datenbasis über die Frage der Erdexpansion werden entscheiden können. Doch zu behaupten, wie das zum Beispiel Wikipedia unter dem Lemma Expansionstheorie, tut, dass angebliche „Tatsachen, zusammen mit der Weiterentwicklung der Theorie der Subduktion, ... zum Verschwinden der Theorie [der Erdexpansion] aus der derzeitigen wissenschaftlichen Diskussion“ führen würden, ist schlichtweg falsch und voreingenommen. Die messbaren Tatsachen – denn nur um einige dieser Tatsachen handelt es sich - können zum heutigen Zeitpunkt weder ein klares Ja, noch ein klares Nein zur Theorie der Erdexpansion sprechen. Und wie die „Weiterentwicklung“ einer Theorie, die übrigens auch ihre Ungereimtheiten hat und wohl deshalb auch „weiterentwickelt“ werden muss, eine andere Theorie aus dem Rennen schaffen soll, steht noch in den Sternen. Oder sollte die Erdexpansionstheorie etwa weniger „entwicklungsfähig“ sein?


Ausgewählte Literatur:


Carey, Samuel W. (1976): The Expanding Earth. Elsevier, Amsterdam, 488 S.
Carey, Samuel W. (1988): Theories of the Earth and Universe. Stanford University Press, Stanford, 413 S.
Egyed, Laszlo (1956): The change in the Earth’s Dimensions determined from Palaeogeographical Data. Geofisica pura e applicate, 33, S. 42-48.
Hilgenberg, Ott Christoph (1933): Vom Wachsenden Erdball. Selbstverlag, Berlin, 56 S.
Hoshino, Michihei (1998): The Expanding Earth. Tokai University Press, Tokyo, 295 S.
Hurrell, Stephen (2011): Dinosaurs and the Expanding Earth (3. Auflage). Oneoff Publishing, 218 S.
Jacob, Karl-Heinz (2010): Über Selbstorganisation und ihre Bedeutung für die Geologie. Zeitschr. Geol. Wiss., Berlin, 38, S. 295-310.
Jacob, Karl-Heinz (2011): Remarks on the Formation of Minerals and Rocks Influenced by Electric Fields and Self-Organization. In: Cwojdzinski, Stefan & Scalera, Giancarlo (Hrsg.), Extended Abstracts of the 37th Interdisciplinary Workshop “The Earth Expansion Evidence: A Challenge for Geology, Geophysics and Astronomy”, S. 35-38.
Luckert, Karl W. (1999): Planet Earth Expanding and the Eocene Tectonic Event. Lufa Studio, Portland, 78 S.
Mardfar, Ramin Amir (2000): Relationship between Gravity and Evolution (The Theory of the Increasing Gravity). Zeinabe, Tabriz, 124 S.
Maxlow, James (1998): Global Expansion Tectonics: Exponential Earth Expansion from Early Jurassic to the Present. Terrella Consultants, CD-ROM.
Maxlow, James (2005): Terra Non Firma Earth. Oneoff Publishing, 255 S.
Milanovsky, E.E. (1978): Some Aspects of Tectonic Development and Volcanism of the Earth in the Phanerozoic; Pulsation and Expansion of the Earth. Geotectonics, AGU, 12 /6, S. 403-411.
Owen, Hugh Gwyn (1983): Atlas of Continental Displacement, 200 Million Years to the Present. Cambridge University Press, Cambridge, 171 S.
Scalera, Giancarlo. ( 1988): Nonconventional Pangaea Reconstructions. New Evidence for an Expanding Earth. Tectonophysics, 146, S. 365-383.
Scalera, Giancarlo (2006): Are artificial satellites orbits influenced by an expanding Earth? Annals of Geophysics, 49, 2/3, S. 819-824.
Sen, S. (2007): Earth: The Planet Extraordinary. Allied Publishers, New Delhi, 232 S.
Shen, Wen-Bin et al. (2011): Evidences of Earth Expansion From Space-Geodetic and Gravimetric Observations. In: Cwojdzinski, S. & Scalera, G. (Hrsg.), Extended Abstracts of the 37th Interdisciplinary Workshop “The Earth Expansion Evidence: A Challenge for Geology, Geophysics and Astronomy”, S.131-134.
Strutinski, Carl & Puste, A. (2001): Along-strike Shearing instead of Orthogonal Compression: A Different Viewpoint on Orogeny and Regional Metamorphism. Himalayan Geology, 22/1, S. 191-198.
Strutinski, Carl (2012): Contradictory Aspects in the Evolution of Life, hinting at Gravitational Acceleration through Time. In: Scalera, G., Boschi, E., Cwojdzinski, S. (Hrsg.), The Earth Expansion Evidence. A Challenge for Geology, Geophysics and Astronomy, Aracne Editrice, Rom, S. 343-364.
Vogel, Klaus (1983): Global Models and Earth Expansion. In: Carey, S.W. (Hrsg.), Expanding Earth Symposium, Sydney 1981, University of Tasmania Press, S. 17-27.
Wegener, Alfred (1912): Die Entstehung der Kontinente. Petermanns Geogr. Mitt., 58, S. 185-195, 235- 256, 305-309.
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